jugendlichen, aber von dem täglichen ärger mit der institution. ich dachte erst daran, zu promovieren und hatte schon ein promo- tionsstipendium in der tasche, als ich mei- ne frühere mentorin christiane hofmann (professorin am institut für heil- und son- derpädagogik der justus-liebig-universität gießen. anmerkung der redaktion) wieder- traf. sie fragte mich, warum ich eigentlich nicht an „der leppermühle“ sei? (gemeint war die martin-luther-schule, die sich in glei- cher trägerschaft wie die heimeinrichtung leppermühle befindet. anmerkung der re- daktion). da war ich natürlich neugierig und habe mich kurz darauf vorgestellt. ich kam ins lehrerzimmer, mein kind, das ich dabei hat- te, krabbelte herum und der damalige schul- leiter herr henß und sein stellvertreter herr schäfer spülten geschirr. wir haben rund zehn minuten miteinander geredet. dann sagte herr henß zu herrn schäfer. „die passt zu uns“. das war mein einstellungsgespräch! und ich bin geblieben bis heute. was hat sie hier besonders an ihrer arbeit fasziniert? „es war ein traum! hier war ich endlich auf der richtigen seite! hier an der schule konnte ich mit meiner idee landen, kinder und jugendliche zu retten, die aufgrund schwie- riger verhaltensweisen aus allen systemen rausgeflogen waren. und zwar ohne strafen, allein durch verständnis und verstehen ihrer verhaltensweisen. ich habe allerdings auch gelernt, dass rettungsmissionen auch etwas entmün- digendes und egoistisches beinhalten. wir haben uns in unserer schule alle weiterent- wickelt und in einem langen prozess schließ- lich unser leitbild und unser schulprogramm entwickelt. (siehe extrakasten) was sind die kernthesen des leitbildes? „erst verstehen, dann fördern und ein positives selbstbild aufbauen. und vor allem: schülerinnen und schüler stark machen! das ist etwas anderes, als retten und das ist et- was anderes, als dass es allen gut geht. es ist an der wachsenden schülerpersönlichkeit christiane hartmann, geboren 1952 in kirchheim/ teck verheiratet, 2 kinder, 4 enkel,. abitur 1971 in stuttgart, studium der verhaltensgestörtenpädagogik in gießen und frankfurt. erste arbeitsstation schon während des studiums im gefängnis, schließlich sieben jahre als oberlehrerin im justizvollzugsdienst tätig, dann von 1984 bis 2017 lehrerin an der martin-luther-schule (mls), seit 2007 pädagogi- sche leitung der mls orientiert. wir haben in unserer schule als multiprofessionelles team eine gemeinsa- me sprache gefunden und damit manche streitereien von früher überwunden. jeder im kollegium bringt sich neben der unter- richtsarbeit mit ganz unterschiedlichen ideen für diese sache ein, das ist so fantastisch! ob es die anlage eines naturlehrpfades ist, kon- fliktmanagement, entspannungsübungen, lrs-training, wandern, radfahren, tierpäd- agogik, viele sportliche aktivitäten, backen, kochen und die vielfältigsten projekte in der schule und an außerschulischen lernorten, wo die schülerinnen und schüler im richti- gen leben lernen – alles dient diesem oben genanntem ziel. das kann man nicht auf eine formel runterbrechen, sondern es ist wie ein mosaik aus den unterschiedlichsten ange- boten, in der sich die wunderbare vielfalt unseres ganzen kollegiums niederschlägt. worauf müssen die lehrerinnen und lehrer besonders achten? wie sieht der pädago- gische ansatz aus, den sie entscheidend mit vorangetrieben haben? „man kann bei uns nicht einfach anfangen, mit kindern und jugendlichen schule im klas- sischen sinne zu machen und deutsch, mathe, englisch unterrichten. das geht so nicht. man muss die schülerinnen und schüler, die ja alle am regelschulsystem gescheitert sind, erst mal in ihrer schülerpersönlichkeit verstehen und erkennen, warum sie bei uns sind. dazu ist es notwendig, dass die lehrerinnen und lehrer die akte kennen, mit den gruppen, beratern und eltern sprechen, über das krankheitsbild bescheid wissen und daraus dann den individuellen förderbedarf ent- wickeln. das ist die voraussetzung für das arbeiten hier an der martin-luther-schule. darin spiegelt sich unser pädagogischer an- satz wider. wir besprechen alles in gremien, entwickeln, probieren aus, geben rückmel- dung. das ist ein prozess, der nach jedem schuljahr hinterfragt und evaluiert wird. wir alle befinden uns in einem kontinuier- lichen lernprozess, um herauszufinden, wie es geht, aber es läuft und die stimmung an der schule ist wirklich gut! was halten sie von supervision? „ist sehr, sehr bedeutend. unser schulkonzept funktioniert nur auf der grundlage von bezie- hung, die aber professionell sein muss. daher ist supervision so wichtig. man braucht eine gute basis, um mit geduld, empathie und respekt mit den schülerinnen und schülern zu arbeiten. wir müssen uns klarmachen, dass jedes problemverhalten des schülers einen lösungsversuch darstellt. der schüler legt dieses verhalten für sich an den tag und nicht gegen mich. das immer wieder zu verstehen, wird durch supervision deutlich erleichtert. was ist mit den eltern? „eltern sind für unsere arbeit sehr wichtig. leider haben viele von ihnen mit schulen schlechte erfahrungen gemacht. häufig wur- den sie wegen der auffälligkeiten ihrer kinder in die schule zitiert und bekamen sozusagen die note „erziehung ungenügend“ vorgesetzt. und dann sollen eltern sich kooperativ ver- halten? so läuft das nicht. man muss allen eltern erst einmal zugestehen, dass sie für ihr kind eigentlich das beste wollen und dann gemeinsam einen weg finden, das kind gut zu begleiten. eltern sollten partner auf augenhöhe sein. es dauert manchmal eine weile, bis eltern vertrauen zu uns entwickeln. dann kann die zusammenarbeit für alle be- teiligten fruchtbar werden. schule ist seit vielen jahren reformgequält, heute steht das thema inklusion auf der agenda. was halten sie davon? „ich wünsche mir, dass die inklusionsdebatte von den fundamentalistischen positionen 31