Tiere als Spiegel des eigenen Verhaltens Da das Tier nicht auf die Worte, die wir aus- sprechen reagiert, sondern auf die Haltung des Menschen im Gesamten, finden in der Interaktion mit Tieren unbewusste Anteile ihren Ausdruck und das Tier reagiert auf die- se Signale im Sinne eines Spiegels4 So kann es sein, dass das ansonsten so kooperative Tier „einfach nicht tut, was der Jugendliche will“4 Und das obwohl dieser vordergründig deutlich seinen Willen mitteilt4 Mit Hilfe des Therapeuten, durch Versprachlichung und Reflexion des in der Beziehung zum Tier Erlebten, können vielleicht verborgene Ängste und Wünsche zum Vorschein kom- men4 So kann beispielsweise ein augen- scheinlich offensichtlicher Kontaktwunsch des Jugendlichen, der durch das ansonsten kontaktfreudige Tier nicht beantwortet wird, Anlass bieten, über die Gefühle „dahinter“ zu sprechen: Ist es tatsächlich ein freundliches, offenes Kontaktangebot, oder erlebt (und vermittelt!) der Jugendliche doch eher Angst oder Aggression? Andererseits sind manche Tiere unerwartet direkt, ja fast schon „rüpe- lig“ in ihrer Kontaktaufnahme, obwohl der Jugendliche ablehnend wirkt4 Dann kommt es manchmal zu überraschten Aussagen wie „Der will ja zu mir…“ oder „Der mag mich ja4“ Manchmal kann es ganz hilfreich sein, innere Türen mit „tierischem Charme“ aufzustoßen4 Zudem bieten Tiere auch einen guten Schutzschild, da sie durch ihre direkte, körper- liche Beziehungsgestaltung die Fokussierung im Hier und Jetzt erleichtern und andererseits auch soviel Interpretationsspielraum lassen, dass der Jugendliche sich auch dahinter ver- stecken kann4 Im Notfall ist eben erst einmal das Tier „schuld“ und es nimmt die vielleicht ungerechtfertigte Schuldzuweisung noch nicht einmal krumm4 Mit Hilfe einer sen- siblen Prozessbegleitung durch den Thera- peuten können aber auf diesem Wege auch die eigenen, unangenehmen Schattenanteile vorsichtig ihren Platz finden und dem Jugend- lichen so zu einem vollständigeren Bild seiner selbst und zu mehr Verständnis für sich selbst verhelfen4 „Tiere verstehen alles außer Worte und sie zeigen, was der Mensch nicht sagt“4 So formulierte es ein Jugendlicher im Verlauf der Therapiestunden4 Die sozial-kommunika- tive Funktion der Sprache verliert im Kontakt mit dem Tier ihre Bedeutung4 Gleichzeitig fordern Tiere eine rigorose Eindeutigkeit in der nonverbalen Beziehungsgestaltung4 Artgerechte Haltung wichtig Der Georgenhammer hält die unterschied- lichsten tierischen Bewohner4 Jeder Stall wurde unter der Prämisse gebaut und liebe- voll gestaltet, um artgerechte Haltung für die Tiere zu gewährleisten und zugleich ein Therapieort für die Kinder zu sein4 Die Tiere zeigen, dank der guten Unterbringung, un- terschiedlichste arteigene Verhaltensweisen im Umgang mit ihresgleichen, aber auch mit dem Menschen4 Das Beobachten des Verhal- tens der Tiere untereinander ist bereits sehr eingeschränkten oder überaus ängstlichen Kindern möglich und diese finden so einen guten Einstieg in das Erfahrungsfeld des sozialen Lernens4 So können Themen „wer mag wen und wen nicht und wie zeigen sie sich das?“ unverfängliche Einstiege in eigene Thematiken sein4 Aber auch Themen wie „zuviel sein“, „nicht gut sein“, „abge- geben worden sein“, haben bei den Tieren des Georgenhammers einen guten Raum4 Nicht ohne Grund sind die meisten dieser Tiere aus dem Tierschutz – gemeinsam mit den Jugendlichen ausgesucht und auf den Georgenhammer geholt worden4 Und nicht ohne Grund sind Tiere mit offensichtlichen Unzulänglichkeiten dabei4 Allerdings werden keine Tiere mit massiven Verhaltensproble- men für die Therapiestunden eingesetzt4 Ein gewisses Maß an Vertrauen und Res- pekt vor dem Menschen, sowie ein sicheres Rangordnungsverhalten sind Voraussetzung für die Beziehungsfähigkeit, die dann aber durchaus individuelle Ausprägungen haben darf4 Eine gelungene Therapiestunde in der tiergestützten Therapie auf dem Georgen- hammer misst sich nicht daran, „wie gut das Tier das gemacht hat, was der Jugendliche oder Therapeut gerne will“, sondern daran, wie gut schwierige Situationen gemeinsam begangen wurden und was der Jugendliche dadurch über sich, sein Gegenüber und die Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung erfahren konnte4 So kann auch eine Stunde, die nach außen hin völlig misslungen wirkt, die veränderungsinitiierenden Einsichten vermittelt haben4 Pferde, Schafe, Ziegen, Hühner, Kanin- chen, Meerschweinchen, Katzen, Hunde, Rennmäuse, Laufenten, Fasane, Fische und eine Bartagame – viele verschiedene Tiere haben auf unserem Georgenhammer bereits eine Rolle in der tiergestützten Therapie gespielt und konnten viele der Kinder und Jugendlichen bei ihrer Aufgabe begleiten, mit ihrer Krankheit zurechtzukommen oder aus ihr, wie es Dr4 Martin zu sagen pflegt, ‚herauszuwachsen‘! Dr. Jennifer Brachthäuser ‚Herr Bart‘, eine Bartagame stammt ursprünglich aus Australien 8